„Menschennester“ hat Vincent van Gogh diese reetgedeckten Häuschen genannt.
Ich habe den Ausschnitt eines Gemäldes – der Name ist mir unbekannt – von ihm fotografiert, weil in dem Audio-Guide zur Ausstellung im Städel Museum, diese bildreiche Bezeichnung von ihm, erwähnt wurde.
Wie immer, wenn ein adäquates Wort gefunden wird oder wie hier zusammen kommt mit einem Bild, dann gehen bei mir, bildlich gesprochen viele Türen und Fenster auf.
„Nestwärme“ fällt mir ein. Eine Erinnerung an Wanderungen mit einem Freund wird lebendig.
Auf einem Feldweg, inmitten von Wiesen, Äckern, mit kleinen Baum- und Buschinseln, nähern wir uns einem Dorf, einer kleinen Ortschaft. Sofort stellt sich bei mir ein ganz vertrautes Gefühl ein.
Ich bin hier nicht zuhause, in Frankfurt geboren, auch in Berlin gelebt aber da ist etwas ganz Natürliches in mir und zwar, dass diese Größe der Ortschaft, die Höhe der Häuser, die Anzahl der Bewohner ein Maß hat, das ich noch verkraften kann. Was heißt das? Das heißt für mich, hier bin ich in einem Kontext mit Menschen und anderen Größenverhältnissen, die ich noch bedienen kann ohne anonym zu werden.
Gunther Schmidt:“…ich arbeite nicht gerne in Anonymität. Wenn ich in Anonymität dauernd arbeiten muss, dann geht’s mir einfach nicht gut. Wenn es mir nicht gutgeht, dann habe ich…..schlechteren Zugang zu meinen Kompetenzen.“
Gunther Schmidt, ist ein deutscher Arzt mit dem Schwerpunkt Psychotherapie. Er gilt als einer der Pioniere der Verbindung von Systemischer Therapie und Hypnotherapie nach Milton Erickson zu einem ganzheitlichen Konzept (hypnosystemisches Integrationsmodell)
Freundliche Häuser, mit einem freundlichen „Gesicht“ ziehen mich an, lassen mich entspannen, geben mir ein warmes Gefühl und Geborgenheit.
Geborgenheit gibt Genährtsein und Genährtsein gibt Vertrauen und Vertrauen gibt Bewegung und Bewegung gibt Entwicklung.
Dies ist eine Fotografie der Europaallee in Frankfurt.
Es gibt noch andere seelenlose Orte in Frankfurt und auch in anderen Städten.
Städte mit einer hohen Einwohnerzahl sind wie gemacht dafür.
Hinter dieser Häuserfront befindet sich keine Behörde, sondern hier wohnen Menschen. Ich möchte eher sagen: Hier werden Menschen verwahrt. Gut verwahrt, verwaltet, sodass sie gut funktionieren und einsatzfähig sind.
Diese Bauweise erinnert mich an den Koloss von Prora auf Rügen. Von der Organisation „Kraft durch Freude“ wurde von 1936 bis 1939 ein kolossales Gebäude errichtet, in dem 20.000 Menschen gleichzeitig Urlaub machen konnten. Ich habe mir vor vielen Jahren diesen Komplex angeschaut. Überwältigt von der Seelenlosigkeit und Leere dieser Architektur, hat sich die Ansicht dieser Massenverwahranstalt in mir eingebrannt.
An so einer Architektur gibt es nichts Gutes, nichts Menschliches.
Das kann man nicht mehr schönreden.
„Die Unwirtlichkeit der Städte“ von Alexander Mitscherlich erschien 1965.
„Mit diesem Werk griff Mitscherlich die lieblose Zersiedelung der Landschaft durch monotone Vorstädte aus Einfamilienhäusern an und forderte eine revolutionäre Änderung des städtischen Bodenrechts.“
Wikipedia
In einer seelenlosen Umgebung können sich schwerlich seelenvolle Menschen entwickeln, denke ich…